Mondrai
Die Kriegerkaste der Allianz ist eine der größten Kasten überhaupt und eine der vielseitigsten. Es gibt Clans, die fast schon wie die Chrania anmuten, ihr Auftreten wie die Herrlichkeit in Person inszenieren und von den Wurzeln der Mondrai schon sehr weit entfernt sind. Andere ergötzen sich am Kampf wie an einem guten Essen oder einer heißen Liebesnacht, wieder andere ziehen Ruhe und Meditation den leiblichen Genüssen vor.
Mit über einer halben Million Mitgliedern ist die Kriegerkaste die größte der drei herrschenden Kasten. Auch hier gilt, daß nicht alle ihre Mitglieder Soldatinnen im Heer der Allianz sind - ebenso finden sich Schmiede, Ingenieure und Handwerker in ihren Reihen, auch wenn diese ihre Fähigkeiten fast ausschließlich dazu einsetzen, Kriegsgerät zu verbessern oder in irgendeiner Form ihre kämpfenden Schwestern zu unterstützen.
Die Existenz einer so großen Gruppe von Individuen, die sich ausschließlich dem Kriegshandwerk gewidmet haben, ging natürlich nicht spurlos an der Gesellschaft des gesamten Volkes vorbei. Die stolzen Kriegerinnen sind mit ihrem Mut, ihrer Entschlossenheit, aber auch ihrem oftmals herrischen Auftreten zum Inbegriff der Chirà für andere Rassen geworden und das nicht nur im Positiven. Das Kriegshandwerk, das Militärische, der Kampf und ständige Behauptung gegen ihre Umwelt hat in der Zeit der großen Entdeckungen und natürlich den Kastenkriegen tiefe Spuren in der chiranischen Seele hinterlassen und zeigt noch heute Auswirkungen auf die Politik der Allianz.
LEBENSART UND AUFTRETEN
Kaum eine Kaste hat so viele Facetten und Lebensphilosophien entwickelt wie die Kriegerkaste. Gerade in den letzten Jahrzehnten hat in vielen Clans eine tiefgreifende Veränderung stattgefunden. Die Zeiten der Kriege und Eroberungen sind vorbei, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft gilt mehr als Kampf und Ruhm. So haben auch viele Mondrai-Clans die alten Pfade verlassen und benehmen sich wie Chrania, indem sie Repräsentation, Verhandlungen, Grundbesitz und politischen Einfluß dem offenen, mit der Asnichara ausgetragenen Konflikt vorziehen.
Zahlreiche Clans der Kriegerkaste drängen zunehmend auf das glatte Parkett der Politik und Diplomatie, eifern der Adelskaste in Reichtum und Lebensart nach und entfernen sich immer mehr von den eigentlichen Wurzeln der Mondrai.
Doch stellen sie noch lange nicht die Mehrheit unter den Clans der Kriegerkaste. Die meisten folgen immer noch dem Pfad der Ehre und des Ruhms. Während die einen dies jedoch durch strenge Leibesübungen, Meditation, Abschottung nach außen und enthaltsamen Lebenswandel zu erreichen suchen, sind die Mitglieder manch eines Clans auch für ihre Hemmungslosigkeit, Rauflust und derben Humor
bekannt - wie dies Ruhm und Ehre bringen soll, ist ihnen oft selbst nicht klar.
Ob man sich am Kampf nun wie an einem guten Essen oder einer heißen Liebesnacht ergötzt, oder ob man versucht, durch Konzentration und Schärfung der Fähigkeiten den Göttern näherzukommen - das Auftreten der Kriegerinnen unterscheidet sich sehr stark voneinander, je nachdem, welchen Weg sie beschreiten. Der verbreiteste Weg ist jedoch der Sieben Tugenden.
DER WEG DER SIEBEN TUGENDEN
Als die klassischen Tugenden des chiranischen Kriegertums gelten Wahrhaftigkeit, Tapferkeit, Gerechtigkeit, Ehre, Opferbereitschaft, Glaube und Treue
Wahrhaftigkeit verbietet der Kriegerin das Lügen, den Hinterhalt, den Nebel der Halbwahrheiten. Tapferkeit ermahnt die Kriegerin, im Kampf nicht hintan zu stehen, sondern als erstes die Waffen zu ergreifen und ohne Zaudern und Zögern sich jedem Feind entgegenzuwerfen mit Mut und doch mit Verstand. Die Gerechtigkeit hingegen liegt oft im Auge des Betrachters, denn die Stellung eines Wesens in der Gesellschaft wird von vielen Clans als von den Göttern so gewollt angesehen und die Entschlüsse der Götter sind stets gerecht. Doch hat diese Tugend bereits viel Gutes bewirkt, zeichnen sich viele Krieger doch durch ein echtes Gefühl für Gerechtigkeit aus, das schon so manches Unrecht beseitigt hat. Ehre im Handeln, das Stehen zu einem gegebenen Wort, die Nachsicht gegenüber Schwächeren, das Schonen unwürdiger Gegner und das stolze Auftreten gilt bei allen Clans als eine der höchsten Tugenden. Opferbereitschaft fordert von den Kriegerinnen und Krieger der Mondrai, das eigene Leben zu opfern für das zu erreichende Ziel, wird von manchen Clans jedoch auch als Aufforderung zu Mitgefühl und Mildtätigkeit interpretiert, indem es gilt, auch eigenen Besitz
zur Unterstützung Schwächerer zu opfern. Glaube umfaßt nicht nur den Glauben an die Götter, sondern bezieht sich vor allem auf die Forderung, daß jede Mondrai an etwas glauben muß, an ein Ziel, das es zu erreichen oder an eine Queste, die es zu lösen gilt; der Glaube ist das lodernde Feuer im Herzen einer Mondrai. Treue schließlich verbindet die Mondrai mit ihrem Clan, ihrem Befehlshaber, ihrer Gottheit, ihrem Volk und ihrer Aufgabe.
Wie bereits angedeutet verfolgen verschiedene Clans die Erfüllung dieser Tugenden auf ganz verschiedene Weise, schließlich lassen sich viele dieser Wörter unterschiedlichst auslegen. So wird Ehre oft mit Stolz gleichgesetzt, Glaube mit Fanatismus, Gerechtigkeit
mit Rache.
Bleibt noch zu erwähnen, dass die Philosophie der Sieben Tugenden freilich nur einer von vielen Pfaden ist, die von einer Kriegerin beschritten werden kann - die Mehrheit der Clans folgt ihren eigenen Ansichten und Weisheiten.
LEBEN UND DIENEN
Früh wird bei den Mondrai auf besondere Talente in Kampf und Athletik geachtet und diese gefördert. Schon als Kinder durchlaufen viele Mondrai eine strenge Unterweisung in Disziplin und Folgsamkeit, verbunden mit Kampfes- und Leibesübungen. So sind die klassischen Kriegerakademien der Allianz zum Großteil mit Minderjährigen gefüllt, die fast schon mit der Muttermilch Taktik, Marschordnungen und Waffengattungen aufnehmen und verinnerlichen müssen. Tägliches, stundenlanges Training, nur selten unterbrochen von Gebeten an Endrakha, die Herrin des Krieges, und spartanischen Mahlzeiten. Die Chirà wissen um ihre körperliche Schwäche, was die Ausdauer angeht. Aus diesem Grund wird auf deren Schulung besonderer Wert gelegt, indem Dschungelläufe mit schwerer Ausrüstung beliebte Übungen sind. Auch die Ausbildung an Reitechse und allen Waffengattungen darf nicht fehlen. Alle jungen Chirà, die die Akademien (jeder Clan verfügt im allgemeinen über seine eigene) nicht meistern, bleibt der Zugang zu Amt und Würden für den Rest ihres Lebens verwehrt: sie dürfen sich weder Hoffnungen auf die Offiziersposten in der Armee machen, noch jemals damit rechnen, innerhalb des Clans aufzusteigen. Ihnen bleibt nur die Wahl, als einfaches Fußvolk im Heer zu dienen, einfache Aufgaben wie die einer
Stadtwache wahrzunehmen oder sich Handwerken wie dem Waffenschmieden, Rüstungsbauen oder Echsenzüchten zu verschreiben. Nur einige wenige entscheiden sich von vorneherein für eine andere
Ausbildung und werden Schützin, Richtschützin (für Katapulte) oder wählen Posten wie Lageristin, Signalgeberin oder Feldheilerin.
Doch selbst wenn die junge Mondrai im Heer der Allianz dient, es bleibt ihre unbedingte Pflicht, ihrem Clan zu dienen. So können immer wieder Fehden zwischen einzelnen Clans ausbrechen und die Verteidigung der Clanehre in einer solchen Fehde ist in der Tat ein Grund, vom Dienst bei der Armee freigestellt zu werden.
MEISTER UND SCHÜLER
Der oben beschriebene Werdegang und die anschließende Karriere ist besonders für jene Clans typisch, die ihre stadtähnlichen Clanspaläste in der Hauptstadt der Allianz haben.
Ein ganz anderer Schlag von Kämpferinnen und Kämpfern unter den Chirà folgt einem viel älteren Weg, dem der Unterweisung zwischen Meisterin und Schüler.
Viele der alten Kriegsheldinnen und legendären Schwertkämpferinnen, die sich in ungezählten Abenteuern und Heldentaten unsterblich gemacht haben, hält es nur selten in den großen Städten der Allianz - sie ziehen in die wilden Berge und Wälder rund um das Kernland der chiranischen Zivilisation und verfolgen dort oft einsam ihr Ziel, sei dies nun höhere Erkenntnis, Gerechtigkeit, Rache oder innere Ruhe. Stößt eine solche Meisterin der Kampfkunst auf ein junges Talent, auf eine heißblütige Vertreterin ihres Standes, so mag es sein, dass diese Meisterin sie sich als Schülerin erwählt und sie in Schwerttanz und Mreccara unterweist oder - und das ist oft viel wichtiger - ihr ihre Weisheiten näherbringt. Manchmal kommen aber auch junge, wissbegierige Kriegerinnen zu den alten Meistern, um sich ihnen als Schüler anzuschließen, doch darf man nicht allzu sehr darauf hoffen, aufgenommen zu werden, legen viele
Schwertkämpferinnen doch großen Wert auf eine erkennbare geistige Reife oder das Talent der jungen Chirà. Die geistige Bindung zwischen der Meisterin und ihrem Schüler ist eng und es gibt ungezählte Legenden rund um einige dieser Beziehungen. Besonders im Hochland von Chiàn, wo der Einfluß der hauptstädtischen großen Häuser gering ist, stößt man immer wieder auf eine solche Meisterin mit ihrem Schüler.
DAS NEUE ZEITALTER
Die Allianz hat dem östlichen Mradoshan Reichtum und Wohlstand gebracht... und Frieden. Große Kriege, bewaffnete Expeditionen zur Sragonjagd, Ausweitungen des Territoriums gegen wilde Stämme - all das gibt es nicht mehr. Und dies bekommt die Kriegerkaste zu spüren, droht sie doch überflüssig zu werden und ihren Stellenwert in der Gesellschaft zu verlieren. Die Zeit der Dämmerung scheint für die stolze Kriegerin, die Asnichara in der Rechten, das Banner ihres Clans in der Linken, gekommen zu sein.
Die Auswirkungen machen sich bereits in der Form bemerkbar, das immer mehr der städtischen Clans sich wie Chrania aufführen, zu handeln und zu intrigieren beginnen. Wieder andere haben sich gänzlich zurückgezogen und führen ein Dasein in fast klösterlicher
Umgebung.
Welche langfristigen Folgen diese Wandlung haben wird, ist indes noch nicht absehbar. Als eine mögliche Folge kann man die Abspaltung mehrerer Clans von der Allianz vor einigen Jahrzehnten rund um Chiàn in der Provinz Chiang-Mey sehen: sie zogen das rebellische, freie Leben in alter Tradition im rauhen Bergland an den Ufern des Homang vor.
Dass der Ton zwischen den Kasten langsam aber sich wieder schärfer wird, nun, wo es gilt, die fetten Früchte des herandämmernden Diamantenen Zeitalters zu ernten ist der Kriegerkaste anscheinend gar nicht so unrecht. Die Unruhen in der Provinz Oranya, wo man um das neue Land und gegen die reißenden Bestien der Senke kämpft, sind ebenfalls eine willkommene Abwechslung, die einigen Clans die Gelegenheit gibt, wieder mit Echse und Lanze auszuziehen, um Heldentaten zu begehen.