Das Nebelloch - Nejhyaloma
[...] Seine warnenden Worte mögen noch nicht einmal verhallt sein, da tut sich hinter einem kurzen Stück der Blick auf eine in den Stein gehauene Treppe auf. Mit einem Schritt zwei Stufen nehmend steigst Du hinauf. Ein dichter Nebelschleier bedeckt den Boden bis auf Knöchelhöhe. Es wirbeln weisse Wolken hoch, als ihr rasch die Treppen hinaufsteigt. Oben tretet ihr durch einen steinernen Durchgang, der mit allerlei Ornamenten und warnenden Symbolen verziert ist.
Als unheilvolles Relikt aus alten Tagen wird es von einigen abergläubischen Einwohnern der Stadt bezeichnet. Das bodenlose Nebelloch - Nejhyaloma - im Stadtteil Unterstadt gelegen, ist ein Felsschacht, der in einer kleinen natürlichen Grotte unterhalb des Strassenniveaus, senkrecht in die Tiefe reicht. Die Grotte ist Bestandteil des Straßensystems der Unterstadt, und über verschiedene Fußwege und in das Gestein eingehauene Treppen erreichbar.
Die Ausmaße Nejhyaloma's sind nicht genau bekannt. Wo man den Durchmesser der Öffnung mit einer Latte noch recht leicht ermitteln mag, kann man seine Tiefe nur schwer vermuten. Inmitten der ca. 50x50 Vat messenden Grotte befindet sich jenes 4 Vat durchmessende Loch, welches an einer erhöhten Stelle der Grotte liegt, sodass es höchst selten vorkommt, dass Wasser der Kanalisation in die Öffnung fliesst. Schon viele Gelehrte haben sich dieses Phänomens angenommen und versucht, dem Geheimnis seiner Tiefe auf die Spur zu kommen. Hinuntergeworfene Steine gaben keinen Aufpralllaut, die Schreie fallender Charas wurden zunehmend leiser, ohne dass ein abruptes Ende der Laute einen Aufschlag vermuten ließen.
Fackeln, Öllampen und andere Lichtquellen die man für die Untersuchung in die Tiefe absenkte, konnte man nach einigen Seillängen schon nicht mehr erkennen, denn der Schacht ist nicht kerzengerade, sondern weist eine leichte Krümmung auf, sodass sich nach geschätzten 40 bis 50 Vat das Leuchtobjekt aus dem Blickfeld des Bebachters verliert.
In manchen Nächten steigt Nebel aus Nejhyaloma herauf und füllt die kleine Grotte und die davon weglaufenden Gangarme mit dichtem Grau. Durch dieses Phänomen hat die Öffnung seinen Namen, welcher von vielen Sagen und Mythen umspielt ist. Eine dieser Sagen soll beispielhaft für das Mysterium stehen, welches untrüglich mit dieser Erscheinung verbunden ist.
"... Noch lange bevor nahe Vorovis die ersten Menschen entdeckt wurden lebte in der Gegend rund um den Tafelberg ein Stamm eines fremden Volkes. Einige Lieder singen von seltsamen Wesen, welche mit unsrigen gar nichts gemein haben. Kreaturen mit riesigen Leibern bestialischen Gestank verströmend, andere Geschichten ranken sich um ein altes Sragonvolk, welches den ersten Siedlern unter die Augen trat.
Wie dem auch sei, dieser Stamm baute keine Häuser, sondern verstand es dem Berg Lebensraum abzuringen. Bis weit in die Tiefen des Felsens gruben sie ihre Stadt und stiessen dabei auf dunkle Mächte. Widerwärtige Götzen, bestialischer Natur.
Die Bewohner verfielen der Versuchung und beteten die Götzen an, erhielten im Gegenzug von ihnen Macht und Stärke. Zusehens verrohte der Stamm und wurde immer brutaler allerdings auch immer mächtiger. Man opferte seine eigenen Kinder in grausamen Zeremonien und verschrieb sich martialischen okkulten Handlungen, um die Macht der Götzen im Berginneren freizusetzen. Lange Zeit beherrschte dieser Stamm den Landstrich des heutigen Elurien und darüber hinaus, und presste das letzte aus den unterjochten Bewohnern der Dschungelwelt heraus.
Allerdings zog ihre Schreckensherrschaft das Missfallen der Götter auf sie und in den folgenden Jahren schränkte sich der Machtbereich des Stammes so stark ein, dass sich seine Anhänger immer weiter in die Tiefen des Tafelberges zurückzogen. Der Stamm kannte die Geheimnisse um die Kräfte, in jenem Berg und wusste sie anzuwenden. Doch dieses Wissen brachte alsbald ihr verderben.
Die Götter säten Zwist und Argwohn in die ohnehin schon schwarzen und kalten Herzen der Stammesmitglieder und in uneinigem Streit um die Führung des Stammen setzten die rivalisierenden Gruppen ihre Kräfte gegeneinander ein. So vernichtete sich der Stamm schliesslich selbst. Die wenigen überlebenden dieser Auseinandersetzung zogen sich tief in die Stollen des Tafelberges zurück, um vor den Blicken der Götter geschützt zu sein und um sich vor den verbreitenden Einflüssen anderer Wesen, wie den Menschen oder Chira zu verbergen.
Jene Öffnung - Nejhyaloma - ist eines der letzten Verbindungen die in dieses abgrundtief Böse Reich erhalten blieb. Es soll noch Nachkommen des Stammes geben, der einst vor langer, langer Zeit hier herrschte. In manch einer Nacht steigen sie im Schutze des Nebels aus der Tiefe herauf, um sich ihre Opfer zu suchen und mit in ihr Reich zu verschleppen, in dem diese in nie endenwollenden Qualen ihren alten Götzen geopfert werden."
Kein einfacher Bewohner der Stadt, der seine Sinne noch einigermaßen beieinander hat, würde auf die Idee kommen, sich in dieser Gegend länger als nötig aufzuhalten. Wissbegierige Forscher und Gelehrte, die schon in der Vergangenheit versuchten die Mythen um Nejhyaloma zu entschlüsseln, sind bisher alle gescheitert. Ganz eindeutig Wirrköpfe, die nicht an die Geschichten rund um das Nebelloch glauben möchten.